Den technischen Fortschritt sollten wir weder fürchten noch anbeten. Es gilt, ihn zu verstehen.
Es ist noch nicht lange her, dass über 3.000 Jahre Geschichte und mehr als 60 Millionen Spieler von einem Computer in den Schatten gestellt wurden. Am 15. März dieses Jahres – nach einem Sechs-Tage-Match – besiegte AlphaGo den amtierenden Weltmeister Lee Sedol in dem asiatischen Strategiespiel Go. Schon vorher haben Maschinen gegen Menschen gewonnen, man denke an Schach, Jeopardy und Poker. Go aber ist komplex, das Spiel fordert Kreativität und Intuition. Dass AlphaGo gewann, löste bei Computerexperten Euphorie, in Teilen Asiens aber auch Bestürzung aus.
Vieles spricht dafür, dass wir an der Schwelle zu einem neuen Maschinenzeitalter stehen. Plattformen wie der Fahrservice Uber, das Wohnungsportal Airbnb oder der Onlinehändler Alibaba haben Dienstleistungsmodelle schon radikal verändert. Die Verbindung von Geräten und Sensoren zu einem gigantischen Internet der Dinge, das Datenmassen in Echtzeit sammelt und auswertet, treibt diesen Trend weiter voran. Der digitale Wandel beschleunigt aber auch Fortschritt in anderen Bereichen, etwa der Gentechnik. Synthetische Organismen und Präzisionsmedizin erscheinen mit einem Mal möglich.
Was sind die Folgen? Niedriges Wachstum, sagen manche. Alles werde schneller, sagen andere: Das Durchschnittsalter der größten Firmen ist von 60 auf 18 Jahre gesunken, alte Erfolgsrezepte verlieren an Wirkung. So bestehen 40 Prozent eines Autos heute aus Elektronik. Silicon-Valley-Firmen haben dies erkannt und bereiten der deutschen Autoindustrie schlaflose Nächte. Auf gesellschaftlicher Ebene warnen Ökonomen vor wachsender Ungleichheit infolge steigender Automatisierung, Historiker und Philosophen vor den Gefahren der Gentechnik für die soziale Ordnung und Konfliktexperten vor Waffen aus dem 3-D-Drucker und Cyberangriffen.
Nun war eine Maschine besser als der Mensch. Der Sieg von AlphaGo markiert einen Meilenstein in der Künstlichen Intelligenz – und die emotionale Debatte darüber zeigt, wie schwierig es ist, Angst und Analyse voneinander zu trennen;
Von Sebastian Buckup, ZEIT ONLINE